Vom Lokführer zum Gemeindevorsteher

Erinnerungen an den Laubuscher Georg Kmetsch

Erster Gemeindevorsteher Georg Kmetsch
Georg Kmetsch, der erste Gemeindevorsteher von Laubusch im 1928 neu gebauten Rathaus und 1920 der erste Vorsitzende des Betriebsrates der jungen Grube Erika, wurde am 11. Februar 1888 in der heutigen Kreisstadt Kamenz geboren, verbrachte als Kind vier Jahre im Kriegerwaisenhaus von Dresden. Bedingt durch ein Unfall, musste er die Tischlerlehre abbrechen. Nach mehreren Arbeitsstellen in Kamenz und Welzow fand er eine Beschäftigung im Lausitzer Braunkohlenrevier, auf der Grube Klara. Von 1911 bis 1917 war er Lokomotivführer im Werk Kausche, ehe er 1918 mit seiner Ehefrau Martha, geb. Lukas (Schwester vom Friseur Hermann Lukas) und den Schwiegereltern (Ehepaar Christian Lukas) nach Laubusch zog.
Es war die Zeit des verlorenen Weltkrieges und der Novemberrevolution, als er seine politische Tätigkeit begann. Als Sozialdemokrat, zunächst im revolutionären Arbeiterausschuss von 1919. hatte er einen großen Einfluss in der Arbeiterschaft. Jetzt begannen die Auseinandersetzungen. mit dem Bergwerksdirektor Weilandt, der nach einem Streik im Juni 1919 auch kurzfristig seinen Posten aufgab. 1920 wählten ihn die Bergarbeiter in den ersten Betriebsrat zu seinem Vorsitzenden.
Weitere Mitglieder waren unter anderem die Arbeiter Mathias, Pätzold, Markoswki, Lukas und der Verwaltungsangestellte Stange. Es folgten gegen ihn und weitere Bergleute Repressalien, wie die Kündigung der Wohnung in Bergmannsheimstätten und die betriebliche Entlassung. Er war auch in Grube Erika Lokomotivführer. Das brachte die Umsiedlung ins Lager 1 mit sich. Er fand für zwei Jahre eine neue Arbeit bei der Siemens- Bauunion bei Senftenberg,
Zur damaligen Ortsgruppe der SPD gehörten unter anderem die Genossen Hensel Schönfelder, Brassat, Günther, Debniak, Noack) Marschner, Stankewitz und Curth (Leiter der roten Falken).
Aus den Gemeindewahlen von 1924 gingen die Kandidaten der so genannten „Wirtschaftsliste“, meistens Arbeitervertreter, als Sieger hervor. Die Gemeindevertreter wählten das Mitglied der SPD, Georg Kmetsch, mit 11:4 Stimmen zum zunächst ehrenamtlichen Gemeindevorsteher. Er löste da mit Herrn Johann Valtin ab, dieser blieb aber noch Amtsvorsteher in Geierswalde für die Orte Laubusch, Tätzschwitz und Geierswalde.
Die Gemeindeverwaltung war damals noch in einem ehemaligen Kuhstall im Dorf Laubusch untergebracht. Als Gemeindesekretär diente Herr Wiedemann wohnhaft in der alten Dorfschule, und als Bürogehilfe Herr Kliemann. Später kam noch der Gemeindebote Mantel hinzu.

Querelen um Dienstwohnung und die Höhe der Steuern der Grube "Erika"

Im Sommer 1925 gab es zwei Einbrüche in die Gemeindeverwaltung, bei der unter anderem Bargeld in Höhe von 1 096,71 M und die Schreibmaschine „Ideal“ gestohlen wurden. Oberlandjäger Hinz konnte den Fall, trotz Einsatz von Spürhunden, nicht aufklären.
Da die Familie Kmetsch noch immer im Lager 1 wohnte, beschloss die Gemeindevertretung, ein Gemeindevorsteherhaus zu errichten. Als Bauplatz diente ein Teil des Friedhofsgeländes. da alle anderen Flächen bereits an die „Ilse verkauft waren.
1925/26 erfolgt der Aufbau eines Nieskyer Blockhauses und der Einzug der Familien G. Kmetsch und Chr. Lukas. Dieses Blockhaus ist in Laubusch eher als Forsthaus bekannt, da es später vom Förster Scholz bezogen und nach Bergmannsheimstätten umgesetzt wurde.





Auch hier gab es Querelen mit der bürgerlichen Seite in der Gemeindevertretung. von Direktor Weilandt geführt. Georg Kmetsch sollte eine Miete zahlen, die Mehrheit der Arbeitervertreter war für eine Dienstwohnung.
Weitere Streitpunkte waren die ungefragte Zahlung von Arbeitslosenunterstützungen und besonders die Höhe der Steuern der Grube „Erika“, die an die Gemeindekasse zu zahlen waren. Aus Unterlagen des Staatsarchivs Baut zen geht hervor, dass Direktor Weilandt sich wiederholt beim Landrat über Kmetsch beschwerte, auch gab es Druck auf einzelne Gemeindevertreter.
Um die ständigen Meinungsverschiedenheiten mit der „Ilse“ zu schlichten, reiste am 3. Juli 1926 Regierungspräsident Dr. Poeschel von Liegnitz nach Laubusch. In Anwesenheit des Landrats Lenior und des Direktors Weilandt sollte dem Gemeindevorsteher klargemacht werden, dass er die Amtsgeschäfte auch im Interesse der ‚Jlse“ und nicht nur der Arbeiterschaft zu führen habe. Dabei ging es zum Bei spiel auch um vorherige Absprachen zum Gemeindehaushalt.
Um die Wohnungsnot zu lindern, wollte die Gemeinde ein großes Mehrfamilienhaus bauen lassen, doch es fehlte ein Bauplatz. Nach längeren Verhandlungen verkaufte die „Ilse« ein 1200 Quadratmeter großes Grundstück im Bergmannsheimstätten für 1 000 Mark pro Morgen, aber nur für den Bau eines Vierfamilienhauses. Da für gab es ein Darlehn von 4 000 Mark von der Sparkasse. Es handelt sich um das Haus der Hauptstraße Nr. 632.

In die Amtszeit Kmetsch wurde das Freibad an der Kortitzmühle gebaut

Auf diesem Bauplatz wurden, nach längeren Disputen, 1928 das Rathaus und ein weiteres Gemeindehaus er richtet. Architekt war Herr Hausmann. Nun konnte die Gemeindevertretung und Verwaltung in ein wunderschönes Haus einziehen. Die Familien Kmetsch und Wiedermann bezogen die Wohnungen, das Ehepaar Möller übernahm den Ratskeller;
Zwei kleine Brücken über den Schleichgraben verschafften den Zugang zu den drei Häusern. Zu den Gemeindevertretern von 1925 gehörten die Herren Scointz, Balkner, Schimenz, Weilandt, Barthel, Krause, Gottschlag, Haering Sauer, Heuer, Markowski, Richter, Mantel, Schulze, Kolata und Marschl. Nachfolger waren Hensel und Junghans. Frühere Tagungsstätten waren das Gasthaus Scointz oder der Saal im Lager 1 bei Broniecki.
In seine Amtszeit fallen auch die Einführung des Wochenmarktes und der Bau des Freibades (Kortitzmühle), wobei besonders Erwerbslose der Gemeinde eine Arbeit erhielten!

Konzentrationslager, Textilienhandel und Bürgermeister a.D.

Georg Kmetsch, inzwischen Amtsvorsteher und Standesbeamter, war auch im Kreis Hoyerswerda als Versammlungsredner der SPD bekannt. So erhielt er das Vertrauen bei der Wahl als Abgeordneter des Kreistages und sogar des preußischen Landtages in Berlin. Er stellte sich in Diskussionen der aufkommenden NSDAP. Im Werksgasthaus gab es Auseinandersetzungen, auch als Saalschiachten bezeichnet, zwischen der SA und dem Reichsbanner (Wehrorganisation der SPD-Dreipfeiler).
Im April 1933 kam Kmetsch mehrere Wochen in Schutzhaft und vom 7. bis 23. Juni 1933 in das KZ Leschwitz bei Görlitz. Am 31. Dezember 1933 wurde er, ohne Ruhegeld, entlassen.
Es folgte der erneute Umzug ins Lager 1, eine Arbeit in der Grube „Erika“ bekam er nicht. Im Einwohnerverzeichnis von 1939 steht Georg Kmetsch, Manufakturhandel, Lager 1, Baracke 13. Diesen Textilhandel betrieb er von 1934 bis 1944 in Laubusch und Schwarzkollm. Durch Vermittlung von Herrn Meinicke bekam die Familie ei ne Wohnung in der Ringstraße.
Für zwei Wochen kam er 1944 in ein Konzentrationslager bei Jauer (Schlesien). Dort traf er den früheren Reichstagspräsidenten Loebe. 1945 wurde er noch eingezogen und kam bis Oktober in englische Gefangenschaft. Eine politische Betätigung nach Umsturz ist nicht bekannt:
Von 1948 bis 1950 war er Geschäftsführer der Bergmannsheimstätten GmbH in Brieske (Grube „Marga“) und bis 1954 als Wohnungsverwalter tätig. Dadurch erfolgte 1948 auch der Umzug von Laubusch nach Brieske: Durch Ausschluss aus der SED die näheren Umstände sind mir nicht bekannt, wurde er seines Postens enthoben.
Um die geringe Rente etwas aufzubessern, war er von 1954 bis 1958 bei der Sparkasse Senftenberg tätig. 1959 zog das Ehepaar Kmetsch zur Tochter in die BRD. Nach anerkannten Pensionierungs- und Wiedergutmachungsansprüchen durfte Georg Kmetsch sich jetzt „Bürgermeister a.D.“ nennen. Das Ehepaar konnte noch die ‚Diamantene Hochzeit“ feiern. Georg Kmetsch verstarb 87jährig, am 2. Juli 1975, in Salzgitter.